Sieben gute, drei schlechtere Jahre: So lassen sich die Ergebnisse der Zehnjahresbetrachtung der Studienanfänger*innenzahlen durch das CHE in aller Kürze zusammenfassen. Besonders starke Rückgänge sind dabei an den Universitäten zu verzeichnen – und auch Niedersachsen gehört zu den Verlierern. Ausgewertet wurde der Zeitraum von 2011 bis 2021.
Im Zeitraum vor der Hauptbetrachtungsphase – von 1998/99 bis 2011/12 – gab es in Deutschland einen kontinuierlichen, steilen Anstieg der Zahl der Studienanfänger*innen: Sie verdoppelte sich in diesem Zeitraum fast, bis auf einen Spitzenwert von rund 450.000 im Wintersemester 2011/12. In den folgenden Jahren, von 2011/12 bis 2018/19, konnte dieses sehr hohe Niveau fast konstant gehalten werden. Seit dem Wintersemester 2019/20 ist hingegen ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Die Herausgeber*innen der Studie führen diesen Rückgang unter anderem auf die niedrigen Geburtenraten zwischen 1990 und 2011 zurück. Da das Medianalter der Studienanfänger*innen bei etwa 20 Jahren liegt, ist zu erwarten, dass der Tiefststand bei den Geburten im Jahr 2011 mit den Immatrikulationen im Wintersemester 2031/21 korrelieren wird.
Zudem verläuft der Rückgang der Studienanfänger*innen nicht überall gleichmäßig, sondern unterscheidet sich nach Bundesland, Hochschulform und Fächergruppe. Die Gegenüberstellung der Durchschnittszahlen der Studienanfänger*innen aus beiden Phasen zeigt, dass es Nordrhein-Westfalen (NRW) in absoluten Zahlen am stärksten trifft. Hier gab es in der Rückgangsphase (2019/20 – 2021/22) im Durchschnitt rund 12.600 Erstsemesterstudierende weniger als in der Stagnationsphase (2011/12 – 2018/19). Dies entspricht einem Rückgang von 12,4 Prozent. NRW bleibt aber dennoch das Bundesland mit den insgesamt meisten Studienanfänger*innen. Niedersachsen hat sogar einen prozentualen Rückgang um 15,3 Prozent zu verzeichnen (-4.965 Erstsemesterstudierende).
Den größten Zuwachs können Berlin (+3,1 Prozent) und Hamburg (+4,6 Prozent) für sich verbuchen. Einen Sonderfall stellt außerdem das Land Thüringen dar: Durch den Wechsel des Hauptsitzes der privaten IU Internationale Hochschule werden alle bundesweiten Fernstudierenden der Einrichtung dem Freistaat zugerechnet. Thüringen verbucht dadurch ein Plus von 83,4 Prozent (+7.670 Studienanfänger*innen). Ohne IU gingen die Zahlen auch in Thüringen um 7,9 Prozent zurück.
Der Fall IU offenbart noch ein weiteres Studienergebnis: Der Rückgang betrifft in erster Linie die staatlichen Hochschulen. Die privaten Hochschulen können gegen den allgemeinen Trend ein Plus von rund 50 Prozent verzeichnen. Bei den Hochschulen in staatlicher Trägerschaft sind es 10,7 Prozent Studienanfänger*innen weniger (-42.000), bei den kirchlichen -5,9 Prozent. Mit Blick auf die Hochschultypen sind vor allem die Universitäten betroffen (-10 Prozent). Bei den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW)/Fachhochschulen (FH) bleiben die Zahlen hingegen fast konstant. Studienautor Marc Hüsch fasst zusammen: "Dass der allgemeine Rückgang bei den Studienanfängerinnen und Studienanfängern in Deutschland nicht viel deutlicher ausfällt, liegt größtenteils am Boom der privaten Hochschulen".
Bei den Fächergruppen ist besonders der Bereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik betroffen: Hier ging die Zahl der Studienanfänger*innen um fast ein Drittel zurück. Auch die Wirtschaftswissenschaften, Elektro- und Informationstechnik sowie Germanistik verlieren Erstsemesterstudierende. Hinzugewonnen haben hingegen die Bereiche Sozialwesen, Informatik, Psychologie und Gesundheitswissenschaften.
Insgesamt ist der Rückgang überwiegend auf männliche Studienanfänger*innen zurückzuführen: Durchschnittlich gab es 22.500 Studienfänger weniger. Bei den Studienanfängerinnen gab es einen vergleichsweise geringen Rückgang von 3.700. Bei den internationalen Studienanfänger*innen ist zudem ein Plus von rund vier Prozent zu vermelden.
CHE Geschäftsführer Frank Ziegele sieht in diesen Ergebnissen Handlungsbedarf für die Hochschulen: "Die demografische Entwicklung und die damit verbundenen Herausforderungen betreffen alle Teile der Gesellschaft. Der allgemeine Fachkräftemangel wird durch die rückläufige Entwicklung der Erstsemesterzahlen in Fächern wie Maschinenbau oder Elektrotechnik weiter verschärft. Hochschulen sollten sich auch dieser Verantwortung bewusst sein und die Entwicklung bei den Studienanfänger*innenzahlen dahingehend genau analysieren und entsprechende Schlüsse für ihre Hochschulstrategie und ihr Hochschulprofil ziehen."
Den vollständigen CHE-Check "Entwicklung der Studienanfänger*innen in Deutschland" finden Sie hier zum Download als PDF.
Zur Pressemitteilung des CHE
Bild: © PPAMPicture/iStock.com