22. Sozialerhebung: So geht es den Studierenden in Deutschland

Meldung vom 05.06.2023, aktualisiert am 27.07.2023

Sie erscheint alle vier Jahre und gibt einzigartige Einsichten in die wirtschaftliche und soziale Lage sowie den Beratungsbedarf der Studierenden in Deutschland: Die Studierendenbefragung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und der Deutschen Studierendenwerke (DSW). Nun liegen die Ergebnisse der 22. Sozialerhebung vor. 

Sie zeigen, dass die Studierendenschaft in Deutschland diverser geworden ist – nicht nur, was die finanzielle Ausstattung während des Studiums angeht, sondern auch in Bezug auf ihre Lebensumstände, ihre (soziale) Herkunft, ihr Alter, ihren Weg an die Hochschule, die Form der Studienorganisation, gesundheitliche Beeinträchtigungen oder auch Verpflichtungen neben dem Studium, wie Pflege von Angehörigen oder Kinderbetreuung. Wie Bildungsjournalist Armin Himmelrath es in seinem Kommentar der Studie für das DSW Journal zusammenfasst: "Der weiße Normstudent aus begütertem Elternhaus hat ausgedient."

Trotzdem studieren im Durchschnitt noch immer 80 Prozent der Studierenden in klassischen Präsenzstudiengängen, die übrigen 20 Prozent verteilen sich auf Fernstudium, berufsbegleitende oder duale Studienformate. Beim Blick auf die Hochschulart werden allerdings Unterschiede deutlich: Während der Anteil der Präsenzstudierenden an den Universitäten fast 87 Prozent beträgt, sind es an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) nur knapp 68 Prozent und an den privaten Hochschulen sogar nur 35 Prozent. Ähnlich große Unterschiede gibt es auch bei der Verteilung von Voll- und Teilzeitmodellen: An den staatlichen Hochschulen studieren etwa 80 Prozent in Vollzeit, an den privaten Hochschulen nur 50 Prozent – Teilzeitregelungen spielen hier also eine besondere Rolle. 

An den privaten Hochschulen gibt es außerdem den höchsten Anteil an Studierenden mit nicht-schulischem Hochschulzugang (14,8 Prozent) oder mit einer beruflichen Qualifizierung (51,2 Prozent). Im Allgemeinen kommen die meisten Studierenden aber nach wie vor über schulische Wege (97,5 Prozent) und dabei mit dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (84,7 Prozent) ins Studium. An HAWs ist jedoch auch ein nicht unwesentlicher Anteil (26 Prozent) mit fachgebundener oder Fachhochschulreife anzutreffen. 

Rund 17 Prozent der Studierenden aus Deutschland haben einen Migrationshintergrund, etwa 15 Prozent sind internationale Studierende. Da das gesamtgesellschaftliche Bildungsniveau in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, stammen immer mehr Studierende aus einem Elternhaus, in dem mindestens ein Elternteil die Hochschulreife besitzt (68 Prozent; 1991: 43 Prozent). Der Anteil Studierender aus Akademiker*innenfamilien (mind. ein Elternteil mit Hochschulabschluss) hat ebenfalls zugenommen (56 Prozent; 1991: 36 Prozent).

Etwa 24 Prozent der Studierenden berichten von einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, knapp 16 Prozent sogar von einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die sich erschwerend auf das Studium auswirkt. Die mit Abstand meisten studienerschwerenden Beeinträchtigungen sind auf psychische Erkrankungen zurückzuführen (65 Prozent). Insgesamt schätzen rund 72 Prozent der Studierenden ihre Gesundheit als (sehr) gut ein, knapp zwei Drittel berichteten jedoch auch, sich in den vier Wochen vor der Befragung gestresst gefühlt zu haben oder gar überlastet gewesen zu sein (48 Prozent). 

Circa 63 Prozent der Studierenden gehen neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nach. Bei Studierenden aus nicht-akademischen Elternhäusern ist die Quote etwas höher als bei Akademikerkindern (67 vs. 60 Prozent). Auch die Arbeitsmotivation unterscheidet sich: Bei Studierenden aus nicht-Akademikerfamilien geht es häufiger um die Grundfinanzierung des Lebensunterhalts (68,3 vs. 50,1 Prozent bei Akademikerkindern). Dabei sind die durchschnittlichen monatlichen Gesamteinnahmen auf 1.036 Euro angestiegen – ein neuer Höchstwert seit 2009. Kaufkraftbereinigt verfügen Studierende im Schnitt jedoch über monatliche Gesamteinnahmen in Höhe von 876 Euro (2016: 842 Euro). Etwa 13 Prozent der Studierenden beziehen BAföG. 

Am meisten geben Studierende für Miete (410 Euro), Ernährung (198 Euro) und Gesundheitskosten (100 Euro) aus. Dabei sind die Mieten seit der letzten Sozialerhebung drastisch gestiegen: Fast 16 Prozent müssen mehr als 500 Euro Miete pro Monat aufbringen – im Jahr 2016 traf dies nur auf rund vier Prozent der Studierenden zu. Gleichzeitig müssen 16,4 Prozent der Studierenden mit 500 Euro oder weniger auskommen. Etwa mehr als 10 Prozent der Studierenden geben außerdem an, dass die Finanzierung ihres Studiums nicht sichergestellt ist.

Der Blick auf die studentischen Wohnformen zeigt eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung auf Wohngemeinschaften (27,9 Prozent), alleinlebend (21,3 Prozent), mit Partner*in lebend (27,1 Prozent) oder bei den Eltern lebend (24,3 Prozent). Der Anteil der Studierenden, die im Studierendenwohnheim lebt, ist auf 18 Prozent angestiegen (+6 Prozent ggü. 2016), was besonders auf einen Zuwachs bei Wohnheimen in privater Trägerschaft zurückzuführen ist. 

Die Studienwahl erfolgt primär nach Fachinteresse (81,9 Prozent), aber auch berufliche Aussichten spielen eine große Rolle (66,9 Prozent). Die Hochschule wird oft danach ausgewählt, ob die gewünschte Fachrichtung dort angeboten wird. Dabei wird häufig auch das Bundesland gewechselt: Etwa 38 Prozent der Studierenden beginnen ihr Studium nicht in dem Bundesland, in dem sie ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. 

Während des Studiums hat ein großer Teil der Studierenden Beratungs- und Informationsbedarf (85 Prozent) – 24 Prozent mehr als noch im Jahr 2016, was u. a. auf die Herausforderungen der Coronapandemie zurückgeführt wird. Allerdings haben nur 48 Prozent der Studierenden auch tatsächlich ein oder mehrere Beratungsangebote in Anspruch genommen. Die Diskrepanz wird von Seiten der Studierenden häufig damit erklärt, dass die Probleme sich von allein (35 Prozent) oder durch Unterstützung im privaten Umfeld (42 Prozent) gelöst hätten. 32 Prozent gaben an, nicht genug Zeit für eine Beratung gehabt oder den Aufwand gescheut zu haben (29,9 Prozent). 26,9 Prozent der Studierenden mit Beratungsbedarf gaben jedoch auch an, dass ihnen die nötigen Informationen zu Ansprechpersonen und Angeboten gefehlt hätten, weitere 26,6 Prozent verwiesen auf Hemmungen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dass Studierende, die eine Beratung in Anspruch nehmen wollten, bei einer Beratungsstelle niemanden erreichten, kam hingegen nur sehr selten vor (2,5 Prozent). 

Insgesamt nahmen im Sommersemester 2021 fast 188.000 Studierende von 250 Hochschulen an der Befragung teil – so viele wie noch nie zuvor. Zum Vergleich: Für die 21. Sozialerhebung wurden im Jahr 2016 etwa 60.000 Studierende befragt. Die Ergebnisse liefern somit ein detailliertes, aussagekräftiges Bild der Studien- und Lebenssituation der Studierenden im zweiten Jahr der Coronapandemie – stammen damit allerdings auch noch aus der Zeit vor der "Zeitenwende" durch Ukrainekrieg, Inflation und rasanten Energiekostenanstiegen. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Situation gegenüber der Lage zum Zeitpunkt der Erhebung eher verschärft als verbessert hat. 

Weitere Hintergrundinformationen sowie die vollständige Sozialerhebung zum Download als PDF finden Sie hier auf der Seite des BMBF

Zur Pressemitteilung des DZHW

 

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